Die Transplantationsmedizin auf dem Prüfstand: Wer entscheidet über Leben und Tod des Patienten?

Ist ein Hirntoter wirklich tot?

Man kann angesichts der Tatsache, dass auch sog. Hirntote noch zu bestimmten Integrationsleistungen imstande sind (man denke etwa daran, dass hirntote Schwangere noch ein gesundes Baby gebären können oder die Körpertemperatur von Hirntoten noch reguliert werden kann) Zweifel an der deutschen Transplantationsmedizin hegen. Die Organentnahme ist in Deutschland nur erlaubt, wenn zwei Ärzte unabhängig voneinander den Hirntod festgestellt haben. Der Kreislauf des hirntoten Patienten wird derweil künstlich aufrechterhalten; die Spenderorgane müssen schließlich noch frisch sein.

Doch was wäre die Alternative zum hier geltenden Hirntodkriterium?

Etwa eine Organentnahme nach Kreislaufversagen, wie es zum Beispiel in Ländern wie Italien und der Schweiz gehandhabt wird? Wohl kaum. Aus nachvollziehbaren Gründen haben ebendiese Länder zwar keinen so großen Organmangel wie derzeit Deutschland. So könnte sicherlich die Zahl der verfügbaren Organe gesteigert und damit zugleich die Anzahl von rund 11.000 Menschen, die derzeit in dringend Deutschland auf ein Spenderorgan warten, drastisch reduziert werden. Das ethische Problem an der Sache wäre aber, dass man möglicherweise Menschen tötet.

Unlängst wurde in Spanien und Dänemark, wo Organe bereits nach Kreislaufversagen entnommen werden, bekannt, dass einige potenzielle Spender auf dem Weg zum OP ihr Bewusstsein zurückerlangten.

Demnach lässt sich wohl ohne Umschweife sagen, dass trotz gewisser Kritikpunkte an dem Hirntodkriterium das Transplantationsverfahren in Deutschland eines der sichersten ist. Moment mal – wird hier gerade etwa das deutsche Transplantationsverfahren gelobt? Ja, wird es. Aber es hat doch in den letzten Jahren in mehreren deutschen Kliniken Manipulationsskandale gegeben?! Richtig. Aber das ändert nichts daran, dass das Hirntodkriterium wohl das sicherste Verfahren zur Feststellung des Todes ist. Heruntergespielt werden soll der Missbrauch bei der Organvergabe damit definitiv nicht!

Aber das Hirntodkriterium auf der einen Seite und das Organvergabeverfahren auf der anderen Seite sind nun einmal zwei Paar Schuhe. Dass an den Wartelisten rumgepfuscht wurde, ist und bleibt ein Skandal. Und dass viele Menschen daraus entsprechende Konsequenzen gezogen haben und sich nicht mehr zur Spende bereiterklären, ist nur allzu verständlich. Für diejenigen, die schon lange auf ein Spenderorgan warten, ist das natürlich sehr bedauerlich. Von durchgreifenden Maßnahmen, die das Vertrauen der Menschen in das System der Organspende widerherstellen sollen, ist leider wenig zu sehen.

Seit etlichen Jahren schon wird über ein Transplantationsregister nachgedacht. Dieses soll Transparenz und Kontrollmöglichkeiten schaffen und dafür sorgen, dass die Angehörigen der Spender, aber auch die Ärzte nachvollziehen können, was mit den gespendeten Organen passiert ist. Daher sollten die Experten nicht nur darüber nachdenken, sondern ihr Vorhaben endlich einmal umsetzen.

Quellen:
„Ist die Organspende noch zu retten?“, FAZ vom 14.09.2010
„An den Grenzen der vertretbaren Transplantationsmedizin“, FAZ vom 18.09.2013
„Ich bin desillusioniert“, DER SPIEGEL 14/2014, S. 125

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